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Deutsche Guggenheim Berlin

 

Going Forth By Day

Bill Violas Reise

durch Leben und Tod

 

Von Christa Tamara Kaul

 

Das ganze Leben in fünf Videosequenzen. Aber nicht irgendeines, sondern das Leben an sich, und das heißt für Bill Viola Leben, Tod und Auferstehung bzw. Wiedergeburt.  In einer Videoinstallation eigens für die Deutsche Guggenheim Berlin hat sich der amerikanische Medienkünstler nach eigener Aussage mit den "menschlichen Elementarerfahrungen"  auseinandergesetzt und einen mythischen "Führer für die Seele" zelebriert.

 

„Going Forth By Day“ ist die wörtliche englische Titel-Übersetzung des ägyptischen Totenbuchs Den fünf Videosequenzen, die in Abfolge und Zusammenspiel die  Meilensteine der menschlichen Existenz, die Reise durch Leben, Tod und Auferstehung markieren, gibt Viola an Dramen erinnernde Namen:       

Die Feuergeburt     Der Weg    Die Sintflut    Die Reise    Erstes Licht

 

Da die fünf Bilderzählungen auf die vier Wänden des Ausstellungssaals projiziert werden, muss sich der Besucher, will er die Installation erleben, mitten in das Geschehen begeben. Auf der formalen Ebene schafft der amerikanische Medienkunstpionier damit eine Verbindung zur Freskenmalerei, die sich ebenfalls der Wände als Darstellungsfläche bedient. Der weitgereiste Künstler weist ausdrücklich auf die Fresken Giottos in Padua hin, deren Kompositionen und erzählerischem Duktus sich seine Bilderwelt bis zu einem gewissen Grad annähert. Viola lernte die Werke der italienischen Renaissancekünstler Mitte der 70er Jahre in Florenz kennen.

 

Jede Bildsequenz dauert ungefähr eine halbe Stunde. Doch laufen die einzelnen Endlosschleifen nicht chronologisch, sondern parallel. Dadurch wird der Zuschauer, vor allem aufgrund von Geräuschen, mehrfach von der einen Projektion zu einer anderen abgelenkt. Beispielsweise, wenn im dritten Installationsteil "Die Sintflut" die Wassermassen einbrechen und die Menschen panikartig zu fliehen versuchen.

 

Bill Viola hat in seinen Arbeiten immer wieder die Synthese verschiedener Gedankengebäude unterschiedlicher Epochen angestrebt,  versucht, westliche und fernöstliche Kunst und Spiritualität, aber auch die formalen Mittel der Jetztzeit mit denen der Tradition zusammen zu führen. Mit seinem untrüglichen Empfinden für Klang, Licht und Raum schafft er es, den Betrachter mit der  Installation in einen Bann zu ziehen, der vor allem meditativ ist. So wundert es denn auch nicht, dass  „Going Forth By Day“ wie die digitale Version einer (der) religiösen Offenbarungsgeschichte wirkt. Das beinhaltet eine perfekte technische Umsetzung, um nicht zu sagen die perfekte Illusion. Allerdings ist dem Künstler zweifellos zuzugestehen,  dass der Arbeit eigene mystisch-religiöse Erfahrungen zugrunde liegen.

 

Going Forth By Day erforscht die menschlichen Elementarerfahrungen Individualität, Gesellschaft, Tod und Wiedergeburt. Der Betrachter erfährt das Werk in einer räumlichen Einheit, da die fünf Bildsequenzen in einem großen Galerieraum simultan präsentiert werden. Um den Raum zu betreten, muss sich der Besucher buchstäblich in das Licht des ersten Bildes stellen. Im Zentrum der Ausstellungshalle wartet eine visuell-akustische Welt mit Projektionen an jeder Wand. Die Teilerzählungen sind als Facetten des Gesamtzyklus' konzipiert. Der Betrachter kann sich frei durch den Raum bewegen und die Segmente separat oder als Einheit erfahren.

 

Jede der fünf digitalen Bildsequenzen dauert zirka fünfunddreißig Minuten und läuft synchron mit den anderen Teilen als Endlosschleife ab. Die Tonspuren vermischen sich zu einem überall vernehmbaren Raumklang. Durch direkte Wandprojektion ohne Leinwand oder Rahmen wird die Wirkung von Renaissancefresken erzielt, bei denen die Farbe direkt auf die Wände aufgetragen wurde. Going Forth By Day bezieht sich auf die wörtliche englische Übersetzung des Titels des Totenbuchs der Ägypter, einem Führer für die Seele, die sich vom Dunkel des Körpers befreit hat und schließlich in die Welten des Jenseits' einzieht "zum vollen Lichte des Tages". Bill Viola

 

 

 

Panel 1 -  Feuer-Geburt (Fire-Birth): Aus einer düsteren überfluteten Welt steigt eine menschliche Gestalt empor. Der Körper schwimmt im flüssigen, unbewussten Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Orangefarbene Lichtstrahlen durchdringen die Wasseroberfläche, ein Abglanz der früheren, im Feuer untergegangenen Welt. Im Licht der Zerstörung sucht sich das Wesen des Menschen einen Weg durch die Unterwasserwelt, es sucht die Form und Substanz für seine Wiedergeburt.

 

 

 

 

Panel 2 - Der Weg: Es ist die Zeit der Sommersonnenwende hoch oben im Gebirge. Im Morgenlicht wird ein beständiger Strom von Menschen sichtbar, der auf einem Weg den Wald durchquert. Es sind Menschen aus allen Schichten, mit unterschiedlichen Laufbahnen, und jeder geht den Weg in seiner ihm eigenen Geschwindigkeit und Bewegungsart. Die Prozession kennt weder Anfang noch Ende - sie begann schon lange, bevor der Betrachter sie zu Gesicht bekommt, und wird lange, nachdem sie seinem Blick entschwunden ist, weitergehen. Ohne erkennbare Ordnung wandern die Menschen im Zwischenraum zwischen zwei Welten. Eine kleine Markierung weist ihnen den rechten Weg durch die gefahrvolle Situation. Es gibt kein Zurück - sie streben stetig vorwärts nach einem unbekannten Ziel.

 

 

 

Panel 3: Die Sintflut (The Deluge) Ein frisch renoviertes Steingebäude steht im klaren Licht der Herbstsonnenwende. Auf der Straße herrscht alltägliches Treiben. Es kommt zu kleinen Vorkommnissen, die das Leben des einzelnen verändern. Familien verlassen ihre Wohnungen, die Menschen auf der Straße tragen persönliche Besitztümer, und alle Handlungen sind von einer wachsenden Spannung innerhalb der Gemeinschaft durchdrungen. Inmitten zunehmender Sorge um das Überleben des einzelnen zirkulieren für Momente Mitgefühl und Freundlichkeit.
Nach einer deutlich vernehmbaren Warnung bricht Panik auf der Straße aus. Jeder will sich retten. Diejenigen, die sich zu lange innerhalb ihrer eigenen vier Wände sicher wähnten, müssen jetzt um ihr Leben laufen. Die Sintflut bricht in ihr Privatleben ein, überschwemmt die Häuser und vernichtet wahllos Leben und Besitz. Nach einer Weile kommt das wütende Element wieder zur Ruhe. Die Häuser stehen unbeschädigt, die Straße ist sauber gewaschen. Der leere Bürgersteig glänzt in der Mittagssonne.

 

 

 

Panel 4 - Die Reise (The Voyage): Ein Nachmittag zur Zeit der Wintersonnenwende. Ein kleines Haus steht auf einem Hügel über einem See. Drinnen liegt ein alter Mann krank im Bett, umsorgt von seinem Sohn und seiner Schwiegertochter. Vor der Tür sitzt ein Mann und hält Wache. Unten am Ufer wird ein Boot mit der Habe des Sterbenden beladen, während eine alte Frau geduldig wartet.
Nach einer Weile müssen der Sohn und die Schwiegertochter aufbrechen, und sie lassen den alten Mann mit seinen Träumen und seinem schwächer werdenden Atem allein zurück. Sein Haus, das so viele Lebensläufe und Erinnerungen enthält, wird abgeschlossen. Bald darauf taucht er am Ufer wieder auf, wo er von seiner Frau begrüßt wird. Sie besteigen das Boot, das sie zu den Inseln der Seligen hinüberbringen soll.

 

 

 

 

 

Panel 5 -  Erstes Licht (The First Light): Zur Frühlingssonnenwende bricht ein neuer Morgen an. Rettungsarbeiter haben die ganze Nacht durchgearbeitet, um Opfer einer Sturzflut in der Wüste zu retten. Sie packen erschöpft ihre Ausrüstung zusammen und lassen, während es allmählich heller wird, die Erlebnisse des Nachteinsatzes nachwirken. Eine Frau steht am Ufer und blickt in das überschwemmte Tal, in dem ihre Freunde und Nachbarn gelebt haben. Sie wartet ruhig, aber mit sinkender Hoffnung auf den Sohn, der nie zurückkehren wird.

 

 

 

Abbildungen und Bildtexte: Deutsche Guggenheim Berlin

 

 

Deutsche Guggenheim Berlin

Unter den Linden 13-15,  10117 Berlin

Tel. 030 / 20 20 93 14

 

Deutsche Bank Kunstsammlung

 

Mehr Informationen über Bill Viola
http://www.billviola.com/index.htm

 

 

 

                                       

© Christa Tamara Kaul