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Facebook-Revolution in Ägypten?   

 

Totaler Schwachsinn!

 

 

Christa Tamara Kaul  | 08.01.2012   (bei Telepolis erschienen am 12.01.2012)

 

 

Ist von den Protestbewegungen in den arabischen Ländern die Rede, dann taucht nahezu zwangsläufig der Begriff von der Facebook-Revolution auf. Auch und gerade bei Berichten über Ägypten und da besonders bei den Demonstrationen auf Kairos Tahrir-Platz, also dem "Platz der Befreiung". Doch trifft diese Lieblingsmetapher der Medien die Realität?

 

Nein, sagt klipp und klar der in Kairo lebende deutsch-ägyptische Aktivist und Blogger Philip Rizk (Tabula gaza). Eine Facebook-Revolution in Ägypten? Totaler Schwachsinn!

 

Klarer als Rizks Aussage bei seinem Auftritt bei der Veranstaltung des Deutschlandfunks anlässlich des 50-jährigen Senderjubiläums kann man es nicht ausdrücken. Ausdrücken, dass die Bedeutung der sozialen Netzwerke und des Internets für politische Entwicklungen ganz allgemein  - zumindest derzeit noch - stark überschätzt wird. Was also dann?

 

Sicher, das Internet hat auch in Ägypten eine Rolle gespielt, aber nicht die entscheidende. Zwar habe das Netz vor einem Jahr geholfen, die Demonstrationen zu organisieren, da sich da noch unzensiert im Internet publizieren ließ, doch dann habe die Regierung das Netz abgeschaltet. Und weil sie den Livestream oder Twitter nicht mehr verfolgen konnten, seien viele Leute sozusagen gezwungen gewesen, auf die Straße zu gehen. "Die Straße war wichtiger als das Internet."

 

Das umso mehr, als die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung gar nicht über einen Computer, geschweige denn einen Internetanschluss verfügt. Darüber hinaus sind die Netzaktivisten nicht nur in der absoluten Minderzahl, sondern - und das mag uns hier erstaunen - sie sind auch untereinander wenig vernetzt und auf keinen Fall eine homogene Gruppe. Rizk hat nach eigenen Angaben Kontakt zu knapp einem Dutzend Gleichgesinnter.

 

Dennoch gab es ein technisches Verständigungsmedium der auf den Straßen versammelten Demonstranten - und das waren die Handys. Sie, die in nahezu jedem Haushalt, teilweise sogar mehrfach vorhanden sind, waren die kommunikative Ebene der Protestversammlungen und darüber  hinaus die Quelle der Berichterstattung in anderen Medien. Mittels Bluetooth, also über Minifunknetze, die nicht kontrolliert werden können, gingen Informationen aller Art - SMS, Video, Bilder - in Windeseile in alle Richtungen. Und diese Kommunikationsschiene ließ das Bewusstsein in der Bevölkerung wachsen, die Entwicklung selbst in die Hand genommen zu haben und beeinflussen zu können. Bewusstsein und Selbstverständnis der breiten Masse, so Rizk, haben sich durch "Arabellion" deutlich verändert.

 

Allerdings, so Rizk,  die "Arabellion" hat bislang keine Revolution hervorgerufen. Zwar ist die oberste Führungsebene um Husni Mubarak hinweggefegt worden. Wohl auch unter dem Einfluss ausländischer Mächte. Aber die alten Strukturen blieben unverändert erhalten.

 

Insofern ist es in doppelter Hinsicht "Schwachsinn", von einer Facebook-Revolution zu sprechen. Viel eher beruht dieser Begriff auf der Metaphernverliebtheit von Journalisten und - vielleicht noch mehr - auf gesteuerten kommerziellen Interessen. Und wenn es eines Beweises für diese Ansicht bedarf, dann dürften das die Ergebnisse der jüngsten Wahlen in Ägypten sein. Die haushoch dominierenden islamistischen Parteien -  Muslimbrüder und Salafisten - sind ganz sicher nicht die Favoriten der recht kleinen Gruppe von Netzaktivisten und ihrer Vorstellung von einem modernen Staat.

 

 

Siehe dazu:

Tabula gaza

 

Außerdem:

"Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt"

http://www.dradio.de/aktuell/1583106/

 

"Politik. Medien. Öffentlichkeit"

http://dlf50.org/

 

 

 

 

 

 

© Christa Tamara Kaul