Wenn
uns
die
bedrückende
Aktualität
des
Tages
die
Wahl
des
Themas
aus
der
Hand
reißt,
ist
die
Versuchung
groß,
mit
den
John
Waynes
»unter
uns
Intellektuellen«
um
den
schnellsten
Schuss
aus
der
Hüfte
zu
konkurrieren.
Noch
vor
kurzem
schieden
sich
die
Geister
an
einem
anderen
Thema
–
an
der
Frage,
ob
und
wie
weit
wir
uns
einer
gentechnischen
Selbstinstrumentalisierung
unterziehen
oder
gar
das
Ziel
einer
Selbstoptimierung
verfolgen
sollen.
Über
die
ersten
Schritte
auf
diesem
Wege
war
zwischen
den
Wortführern
der
organisierten
Wissenschaft
und
der
Kirchen
ein
Kampf
der
Glaubensmächte
entbrannt.
Die
eine
Seite
befürchtete
Obskurantismus
und
eine
wissenschaftsskeptische
Einhegung
archaischer
Gefühlsreste,
die
andere
Seite
wandte
sich
gegen
den
szientistischen
Fortschrittsglauben
eines
kruden
Naturalismus,
der
die
Moral
untergräbt.
Aber
am
11.
September
2001
ist
die
Spannung
zwischen
säkularer
Gesellschaft
und
Religion
auf
eine
ganz
andere
Weise
explodiert.
Die
zum
Selbstmord
entschlossenen
Mörder,
die
zivile
Verkehrsmaschinen
zu
lebenden
Geschossen
umfunktioniert
und
gegen
die
kapitalistischen
Zitadellen
der
westlichen
Zivilisation
gelenkt
haben,
waren,
wie
wir
aus
Attas
Testament
inzwischen
wissen,
durch
religiöse
Überzeugungen
motiviert.
Für
sie
verkörpern
die
Wahrzeichen
der
globalisierten
Moderne
den
Großen
Satan.
Aber
auch
uns,
dem
universalen
Augenzeugen
des
»apokalyptischen«
Geschehens
am
Fernsehschirm,
drängten
sich
biblische
Bilder
auf.
Und
die
Sprache
der
Vergeltung,
in
der
nicht
nur
der
amerikanische
Präsident
zunächst
auf
das
Unfassbare
reagierte,
erhielt
einen
alttestamentarischen
Klang.
Als
hätte
das
verblendete
Attentat
im
Innersten
der
säkularen
Gesellschaft
eine
religiöse
Saite
in
Schwingung
versetzt,
füllten
sich
überall
die
Synagogen,
die
Kirchen
und
die
Moscheen.
Diese
untergründige
Korrespondenz
hat
übrigens
die
zivilreligiöse
Trauergemeinde
im
New
Yorker
Stadion
vor
drei
Wochen
nicht
zu
einer
symmetrischen
Einstellung
des
Hasses
verleitet.
Trotz
seiner
religiösen
Sprache
ist
der
Fundamentalismus
ein
ausschließlich
modernes
Phänomen.
An
den
islamischen
Tätern
fiel
sofort
die
Ungleichzeitigkeit
der
Motive
und
der
Mittel
auf.
Darin
spiegelt
sich
eine
Ungleichzeitigkeit
von
Kultur
und
Gesellschaft
in
den
Heimatländern
der
Täter,
die
sich
erst
infolge
einer
beschleunigten
und
radikal
entwurzelnden
Modernisierung
herausgebildet
hat.
Was
unter
glücklicheren
Umständen
bei
uns
immerhin
als
ein
Prozess
schöpferischer
Zerstörung
erfahren
werden
konnte,
stellt
in
diesen
Ländern
keine
erfahrbare
Kompensation
für
den
Schmerz
des
Zerfalls
traditionaler
Lebensformen
in
Aussicht.
Dabei
ist
die
Aussicht
auf
Besserung
der
materiellen
Lebensverhältnisse
nur
eines.
Entscheidend
ist
der
durch
Gefühle
der
Erniedrigung
offenbar
blockierte
Geisteswandel,
der
sich
politisch
in
der
Trennung
von
Religion
und
Staat
ausdrückt.
Auch
in
Europa,
dem
die
Geschichte
Jahrhunderte
eingeräumt
hat,
um
eine
sensible
Einstellung
zum
Januskopf
der
Moderne
zu
finden,
ist
»Säkularisierung«
immer
noch,
wie
sich
am
Streit
um
die
Gentechnik
zeigt,
mit
ambivalenten
Gefühlen
besetzt.
Verhärtete
Orthodoxien
gibt
es
im
Westen
ebenso
wie
im
Nahen
und
im
Ferneren
Osten,
unter
Christen
und
Juden
ebenso
wie
unter
Moslems.
Wer
einen
Krieg
der
Kulturen
vermeiden
will,
muss
sich
die
unabgeschlossene
Dialektik
des
eigenen,
abendländischen
Säkularisierungsprozesses
in
Erinnerung
rufen.
Der
»Krieg
gegen
den
Terrorismus«
ist
kein
Krieg,
und
im
Terrorismus
äußert
sich
auch
der
verhängnisvoll-sprachlose
Zusammenstoß
von
Welten,
die
jenseits
der
stummen
Gewalt
der
Terroristen
wie
der
Raketen
eine
gemeinsame
Sprache
entwickeln
müssen.
Angesichts
einer
Globalisierung,
die
sich
über
entgrenzte
Märkte
durchsetzt,
erhofften
sich
viele
von
uns
eine
Rückkehr
des
Politischen
in
anderer
Gestalt
–
nicht
in
der
Hobbistischen
Ursprungsgestalt
des
globalisierten
Sicherheitsstaates,
also
in
den
Dimensionen
von
Polizei,
Geheimdienst
und
jetzt
eben
auch
Militär,
sondern
als
weltweit
zivilisierende
Gestaltungsmacht.
Im
Augenblick
bleibt
uns
nicht
viel
mehr
als
die
fahle
Hoffnung
auf
eine
List
der
Vernunft
–
und
ein
wenig
Selbstbesinnung.
Denn
jener
Riss
der
Sprachlosigkeit
entzweit
auch
das
eigene
Haus.
Den
Risiken
einer
andernorts
entgleisenden
Säkularisierung
werden
wir
nur
mit
Augenmaß
begegnen,
wenn
wir
uns
darüber
klar
werden,
was
Säkularisierung
in
unseren
postsäkularen
Gesellschaften
bedeutet.
In
dieser
Absicht
nehme
ich
heute
das
alte
Thema
»Glauben
und
Wissen«
wieder
auf.
Sie
dürfen
also
keine
»Sonntagsrede«
erwarten,
die
polarisiert,
die
die
einen
aufspringen
und
die
anderen
sitzen
bleiben
lässt.
Das
Wort
»Säkularisierung«
hatte
zunächst
die
juristische
Bedeutung
der
erzwungenen
Übereignung
von
Kirchengütern
an
die
säkulare
Staatsgewalt.
Diese
Bedeutung
ist
dann
auf
die
Entstehung
der
kulturellen
und
gesellschaftlichen
Moderne
insgesamt
übertragen
worden.
Seitdem
verbinden
sich
mit
»Säkularisierung«
entgegengesetzte
Bewertungen,
je
nachdem
ob
wir
die
erfolgreiche
Zähmung
der
kirchlichen
Autorität
durch
die
weltliche
Gewalt
oder
den
Akt
der
widerrechtlichen
Aneignung
in
den
Vordergrund
rücken.
Nach
der
einen
Lesart
werden
religiöse
Denkweisen
und
Lebensformen
durch
vernünftige,
jedenfalls
überlegene
Äquivalente
ersetzt;
nach
der
anderen
Lesart
werden
die
modernen
Denk-
und
Lebensformen
als
illegitim
entwendete
Güter
diskreditiert.
Das
Verdrängungsmodell
legt
eine
fortschrittsoptimistische
Deutung
der
entzauberten,
das
Enteignungsmodell
eine
verfallstheoretische
Deutung
der
obdachlosen
Moderne
nahe.
Beide
Lesarten
machen
denselben
Fehler.
Sie
betrachten
die
Säkularisierung
als
eine
Art
Nullsummenspiel
zwischen
den
kapitalistisch
entfesselten
Produktivkräften
von
Wissenschaft
und
Technik
auf
der
einen,
den
haltenden
Mächten
von
Religion
und
Kirche
auf
der
anderen
Seite.
Dieses
Bild
passt
nicht
zu
einer
postsäkularen
Gesellschaft,
die
sich
auf
das
Fortbestehen
religiöser
Gemeinschaften
in
einer
sich
fortwährend
säkularisierenden
Umgebung
einstellt.
Ausgeblendet
bleibt
in
diesem
zu
engen
Bild
die
zivilisierende
Rolle
eines
demokratisch
aufgeklärten
Commonsense,
der
sich
im
kulturkämpferischen
Stimmengewirr
gleichsam
als
dritte
Partei
zwischen
Wissenschaft
und
Religion
einen
eigenen
Weg
bahnt.
Gewiss,
aus
der
Sicht
des
liberalen
Staates
verdienen
nur
die
Religionsgemeinschaften
das
Prädikat
»vernünftig«,
die
aus
eigener
Einsicht
auf
eine
gewaltsame
Durchsetzung
ihrer
Glaubenswahrheiten
Verzicht
leisten.
Jene
Einsicht
verdankt
sich
einer
dreifachen
Reflexion
der
Gläubigen
auf
ihre
Stellung
in
einer
pluralistischen
Gesellschaft.
Das
religiöse
Bewusstsein
muss
erstens
die
Begegnung
mit
anderen
Konfessionen
und
anderen
Religionen
kognitiv
verarbeiten.
Es
muss
sich
zweitens
auf
die
Autorität
von
Wissenschaften
einstellen,
die
das
gesellschaftliche
Monopol
an
Weltwissen
innehaben.
Schließlich
muss
es
sich
auf
Prämissen
eines
Verfassungsstaates
einlassen,
der
sich
aus
einer
profanen
Moral
begründet.
Ohne
diesen
Reflexionsschub
entfalten
die
Monotheismen
in
rücksichtslos
modernisierten
Gesellschaften
ein
destruktives
Potenzial.
Das
Wort
»Reflexionsschub«
legt
freilich
die
falsche
Vorstellung
eines
einseitig
vollzogenen
und
abgeschlossenen
Prozesses
nahe.
Tatsächlich
findet
diese
reflexive
Arbeit
bei
jedem
neu
aufbrechenden
Konflikt
auf
den
Umschlagplätzen
der
demokratischen
Öffentlichkeit
eine
Fortsetzung.
Sobald
eine
existenziell
relevante
Frage
–
denken
Sie
auch
an
die
Gentechnik
–
auf
die
politische
Agenda
gelangt,
prallen
die
Bürger,
gläubige
wie
ungläubige,
mit
ihren
weltanschaulich
imprägnierten
Überzeugungen
aufeinander
und
erfahren
so
das
anstößige
Faktum
des
weltanschaulichen
Pluralismus.
Wenn
sie
mit
diesem
Faktum
im
Bewusstsein
der
eigenen
Fehlbarkeit
gewaltlos
umgehen
lernen,
erkennen
sie,
was
die
in
der
Verfassung
festgeschriebenen
säkularen
Entscheidungsgrundlagen
in
einer
postsäkularen
Gesellschaft
bedeuten.
Im
Streit
zwischen
Wissens-
und
Glaubensansprüchen
präjudiziert
nämlich
der
weltanschaulich
neutrale
Staat
politische
Entscheidungen
keineswegs
zugunsten
einer
Seite.
Die
pluralisierte
Vernunft
des
Staatsbürgerpublikums
folgt
einer
Dynamik
der
Säkularisierung
nur
insofern,
als
sie
im
Ergebnis
zur
gleichmäßigen
Distanz
von
starken
Traditionen
und
weltanschaulichen
Inhalten
nötigt.
Lernbereit
bleibt
sie
aber,
ohne
ihre
Eigenständigkeit
preiszugeben,
gleichsam
osmotisch
nach
beiden
Seiten,
zur
Wissenschaft
und
zur
Religion,
hin
geöffnet.
Natürlich
muss
sich
der
Commonsense,
der
sich
über
die
Welt
viele
Illusionen
macht,
von
den
Wissenschaften
vorbehaltlos
aufklären
lassen.
Aber
die
in
die
Lebenswelt
eindringenden
wissenschaftlichen
Theorien
lassen
den
Rahmen
unseres
Alltagswissens
im
Kern
unberührt.
Wenn
wir
über
die
Welt,
und
über
uns
als
Wesen
in
der
Welt,
etwas
Neues
lernen,
verändert
sich
der
Inhalt
unseres
Selbstverständnisses.
Kopernikus
und
Darwin
haben
das
geozentrische
und
das
anthropozentrische
Weltbild
revolutioniert.
Dabei
hat
die
Zerstörung
der
astronomischen
Illusion
über
den
Umlauf
der
Gestirne
geringere
Spuren
in
der
Lebenswelt
hinterlassen
als
die
biologische
Desillusionierung
über
die
Stellung
des
Menschen
in
der
Naturgeschichte.
Wissenschaftliche
Erkenntnisse
scheinen
unser
Selbstverständnis
umso
mehr
zu
beunruhigen,
je
näher
sie
uns
auf
den
Leib
rücken.
Die
Hirnforschung
belehrt
uns
über
die
Physiologie
unseres
Bewusstseins.
Aber
verändert
sich
damit
jenes
intuitive
Bewusstsein
von
Autorschaft
und
Zurechnungsfähigkeit,
das
alle
unsere
Handlungen
begleitet?
Wenn
wir
mit
Max
Weber
den
Blick
auf
die
Anfänge
der
»Entzauberung
der
Welt«
lenken,
sehen
wir,
was
auf
dem
Spiel
steht.
Die
Natur
wird
in
dem
Maße,
wie
sie
der
objektivierenden
Beobachtung
und
kausalen
Erklärung
zugänglich
gemacht
wird,
entpersonalisiert.
Die
wissenschaftlich
erforschte
Natur
fällt
aus
dem
sozialen
Bezugssystem
von
Personen,
die
sich
gegenseitig
Absichten
und
Motive
zuschreiben,
heraus.
Was
wird
nun
aus
solchen
Personen,
wenn
sie
sich
nach
und
nach
selber
unter
naturwissenschaftliche
Beschreibungen
subsumieren?
Wird
sich
der
Commonsense
am
Ende
vom
kontraintuitiven
Wissen
der
Wissenschaften
nicht
nur
belehren,
sondern
mit
Haut
und
Haaren
konsumieren
lassen?
Der
Philosoph
Winfrid
Sellars
hat
diese
Frage
1960
bereits
mit
dem
Szenario
einer
Gesellschaft
beantwortet,
in
der
die
altmodischen
Sprachspiele
unseres
Alltags
zugunsten
der
objektivierenden
Beschreibung
von
Bewusstseinsvorgängen
außer
Kraft
gesetzt
worden
sind.
Er
hat
dieses
Szenario
zunächst
einmal
entworfen.
Der
Fluchtpunkt
dieser
Naturalisierung
des
Geistes
ist
ein
wissenschaftliches
Bild
vom
Menschen
in
der
extensionalen
Begrifflichkeit
von
Physik,
Neurophysiologie
oder
Evolutionstheorie,
das
auch
unser
Selbstverständnis
vollständig
entsozialisiert.
Das
kann
freilich
nur
gelingen,
wenn
die
Intentionalität
des
menschlichen
Bewusstseins
und
die
Normativität
unseres
Handelns
in
einer
solchen
Selbstbeschreibung
ohne
Rest
aufgehen.
Die
erforderlichen
Theorien
müssen
beispielsweise
erklären,
wie
Personen
Regeln
–
grammatische,
begriffliche
oder
moralische
Regeln
–
befolgen
oder
verletzen
können.
Sellars’
Schüler
haben
das
aporetische
Gedankenexperiment
ihres
Lehrers
als
Forschungsprogramm
missverstanden,
das
sie
bis
heute
verfolgen.
Das
Vorhaben
einer
naturwissenschaftlichen
Modernisierung
unserer
Alltagspsychologie
hat
sogar
zu
Versuchen
einer
Semantik
geführt,
die
gedankliche
Inhalte
biologisch
erklären
will.
Aber
auch
diese
avanciertesten
Ansätze
scheinen
daran
zu
scheitern,
dass
der
Begriff
von
Zweckmäßigkeit,
den
wir
in
das
Darwinsche
Sprachspiel
von
Mutation
und
Anpassung,
Selektion
und
Überleben
hineinstecken,
zu
arm
ist,
um
an
jene
Differenz
von
Sein
und
Sollen
heranzureichen,
die
wir
meinen,
wenn
wir
Regeln
verletzen.
Wenn
man
beschreibt,
wie
eine
Person
etwas
getan
hat,
was
sie
nicht
gewollt
hat
und
was
sie
auch
nicht
hätte
tun
sollen,
dann
beschreibt
man
sie
–
aber
eben
nicht
so
wie
ein
naturwissenschaftliches
Objekt.
Denn
in
die
Beschreibung
von
Personen
gehen
stillschweigend
Momente
des
vorwissenschaftlichen
Selbstverständnisses
von
sprach-
und
handlungsfähigen
Subjekten
ein.
Wenn
wir
einen
Vorgang
als
die
Handlung
einer
Person
beschreiben,
wissen
wir
beispielsweise,
dass
wir
etwas
beschreiben,
was
nicht
nur
wie
ein
Naturvorgang
erklärt,
sondern
erforderlichenfalls
auch
gerechtfertigt
werden
kann.
Im
Hintergrund
steht
das
Bild
von
Personen,
die
voneinander
Rechenschaft
fordern
können,
die
von
Haus
aus
in
normativ
geregelte
Interaktionen
verwickelt
sind
und
sich
in
einem
Universum
öffentlicher
Gründe
begegnen.
Diese
im
Alltag
mitgeführte
Perspektive
erklärt
die
Differenz
zwischen
dem
Sprachspiel
der
Rechtfertigung
und
dem
der
bloßen
Beschreibung.
An
diesem
Dualismus
finden
auch
die
nicht-reduktionistischen
Erklärungsstrategien
eine
Grenze.
Auch
sie
nehmen
ja
Beschreibungen
aus
einer
Beobachterperspektive
vor,
der
sich
die
Teilnehmerperspektive
unseres
Alltagsbewusstseins
(von
der
auch
die
Rechtfertigungspraxis
der
Forschung
zehrt)
nicht
zwanglos
ein-
und
unterordnen
lässt.
Im
alltäglichen
Umgang
richten
wir
den
Blick
auf
Adressaten,
die
wir
mit
»Du«
ansprechen.
Nur
in
dieser
Einstellung
gegenüber
zweiten
Personen
verstehen
wir
das
»Ja«
und
»Nein«
der
Anderen,
die
kritisierbaren
Stellungnahmen,
die
wir
einander
schulden
und
voneinander
erwarten.
Dieses
Bewusstsein
von
rechenschaftspflichtiger
Autorschaft
ist
der
Kern
eines
Selbstverständnisses,
das
sich
nur
der
Perspektive
von
Beteiligten
und
nicht
von
Beobachtern
erschließt,
aber
einer
revisionären
wissenschaftlichen
Beobachtung
entzieht.
Der
szientistische
Glaube
an
eine
Wissenschaft,
die
eines
Tages
das
personale
Selbstverständnis
durch
eine
objektivierende
Selbstbeschreibung
nicht
nur
ergänzt,
sondern
ablöst,
ist
nicht
Wissenschaft,
sondern
schlechte
Philosophie.
Auch
dem
wissenschaftlich
aufgeklärten
Commonsense
wird
es
keine
Wissenschaft
abnehmen,
beispielsweise
zu
beurteilen,
wie
wir
unter
molekularbiologischen
Beschreibungen,
die
gentechnische
Eingriffe
möglich
machen,
mit
vorpersonalem
menschlichem
Leben
umgehen
sollen.
Der
Commonsense
ist
also
mit
dem
Bewusstsein
von
Personen
verschränkt,
die
Initiativen
ergreifen,
Fehler
machen
und
Fehler
korrigieren
können.
Er
behauptet
gegenüber
den
Wissenschaften
eine
eigensinnige
Perspektivenstruktur.
Dieses
selbe,
naturalistisch
nicht
greifbare
Autonomiebewusstsein
begründet
auf
der
anderen
Seite
auch
den
Abstand
zu
einer
religiösen
Überlieferung,
von
deren
normativen
Gehalten
wir
gleichwohl
zehren.
Mit
der
Forderung
nach
rationaler
Begründung
scheint
die
wissenschaftliche
Aufklärung
einen
Commonsense,
der
im
vernunftrechtlich
konstruierten
Gebäude
des
demokratischen
Verfassungsstaates
Platz
genommen
hat,
doch
noch
auf
ihre
Seite
zu
ziehen.
Gewiss,
auch
das
egalitäre
Vernunftrecht
hat
religiöse
Wurzeln.
Aber
diese
vernunftrechtliche
Legitimation
von
Recht
und
Politik
speist
sich
aus
längst
profanisierten
Quellen.
Der
Religion
gegenüber
beharrt
der
demokratisch
aufgeklärte
Commonsense
auf
Gründen,
die
nicht
nur
für
Angehörige
einer
Glaubensgemeinschaft
akzeptabel
sind.
Deshalb
weckt
der
liberale
Staat
auf
Seiten
der
Gläubigen
wiederum
auch
den
Argwohn,
dass
die
abendländische
Säkularisierung
eine
Einbahnstraße
sein
könnte,
die
die
Religion
am
Rande
liegen
lässt.
Die
Kehrseite
der
Religionsfreiheit
ist
tatsächlich
eine
Pazifizierung
des
weltanschaulichen
Pluralismus,
der
ungleiche
Folgelasten
hatte.
Bisher
mutet
ja
der
liberale
Staat
nur
den
Gläubigen
unter
seinen
Bürgern
zu,
ihre
Identität
gleichsam
in
öffentliche
und
private
Anteile
aufzuspalten.
Sie
sind
es,
die
ihre
religiösen
Überzeugungen
in
eine
säkulare
Sprache
übersetzen
müssen,
bevor
ihre
Argumente
Aussicht
haben,
die
Zustimmung
von
Mehrheiten
zu
finden.
So
machen
heute
Katholiken
und
Protestanten,
wenn
sie
für
die
befruchtete
Eizelle
außerhalb
des
Mutterleibes
den
Status
eines
Trägers
von
Grundrechten
reklamieren,
den
(vielleicht
vorschnellen)
Versuch,
die
Gottesebenbildlichkeit
des
Menschengeschöpfs
in
die
säkulare
Sprache
des
Grundgesetzes
zu
übersetzen.
Die
Suche
nach
Gründen,
die
auf
allgemeine
Akzeptabilität
abzielen,
würde
nur
dann
nicht
zu
einem
unfairen
Ausschluss
der
Religion
aus
der
Öffentlichkeit
führen
und
die
säkulare
Gesellschaft
nur
dann
nicht
von
wichtigen
Ressourcen
der
Sinnstiftung
abschneiden,
wenn
sich
auch
die
säkulare
Seite
ein
Gefühl
für
die
Artikulationskraft
religiöser
Sprachen
bewahrte.
Die
Grenze
zwischen
säkularen
und
religiösen
Gründen
ist
ohnehin
fließend.
Deshalb
sollte
die
Festlegung
dieser
umstrittenen
Grenze
als
eine
kooperative
Aufgabe
verstanden
werden,
die
von
beiden
Seiten
fordert,
auch
die
Perspektive
der
jeweils
anderen
einzunehmen.
Der
demokratisch
aufgeklärte
Commonsense
ist
kein
Singular,
sondern
beschreibt
die
mentale
Verfassung
einer
vielstimmigen
Öffentlichkeit.
Säkulare
Mehrheiten
dürfen
in
solchen
Fragen
keine
Beschlüsse
durchdrücken,
bevor
sie
nicht
dem
Einspruch
von
Opponenten,
die
sich
davon
in
ihren
Glaubensüberzeugungen
verletzt
fühlen,
Gehör
geschenkt
haben;
sie
müssen
diesen
Einspruch
als
eine
Art
aufschiebendes
Veto
betrachten,
um
zu
prüfen,
was
sie
daraus
lernen
können.
In
Anbetracht
der
religiösen
Herkunft
seiner
moralischen
Grundlagen
sollte
der
liberale
Staat
mit
der
Möglichkeit
rechnen,
dass
die
»Kultur
des
gemeinen
Menschenverstandes«
(Hegel)
angesichts
ganz
neuer
Herausforderungen
das
Artikulationsniveau
der
eigenen
Entstehungsgeschichte
nicht
einholt.
Die
Sprache
des
Marktes
dringt
heute
in
alle
Poren
ein
und
presst
alle
zwischenmenschlichen
Beziehungen
in
das
Schema
der
Orientierung
an
je
eigenen
Präferenzen.
Das
soziale
Band,
das
aus
gegenseitiger
Anerkennung
geknüpft
wird,
geht
aber
in
den
Begriffen
des
Vertrages,
der
rationalen
Wahl
und
der
Nutzenmaximierung
nicht
auf.
Aus
diesem
Grund
wollte
Kant
das
kategorische
Sollen
nicht
im
Sog
des
aufgeklärten
Selbstinteresses
verschwinden
lassen.
Er
hat
die
Willkürfreiheit
zur
Autonomie
erweitert
und
damit
das
erste
große
Beispiel
für
eine
zwar
säkularisierende,
aber
zugleich
rettende
Dekonstruktion
von
Glaubenswahrheiten
gegeben.
Bei
Kant
findet
die
Autorität
göttlicher
Gebote
in
der
unbedingten
Geltung
moralischer
Pflichten
ein
unüberhörbares
Echo.
Mit
seinem
Begriff
der
Autonomie
zerstört
er
zwar
die
traditionelle
Vorstellung
der
Gotteskindschaft.
Aber
den
banalen
Folgen
einer
entleerenden
Deflationierung
kommt
er
durch
eine
kritische
Anverwandlung
des
religiösen
Gehaltes
zuvor.
Säkulare
Sprachen,
die
das,
was
einmal
gemeint
war,
bloß
eliminieren,
hinterlassen
Irritationen.
Als
sich
Sünde
in
Schuld
verwandelte,
ging
etwas
verloren.
Denn
mit
dem
Wunsch
nach
Verzeihung
verbindet
sich
immer
noch
der
unsentimentale
Wunsch,
das
anderen
zugefügte
Leid
ungeschehen
zu
machen.
Erst
recht
beunruhigt
uns
die
Unumkehrbarkeit
vergangenen
Leidens
–
jenes
Unrecht
an
den
unschuldig
Misshandelten,
Entwürdigten
und
Ermordeten,
das
über
jedes
Maß
menschenmöglicher
Wiedergutmachung
hinausgeht.
Die
verlorene
Hoffnung
auf
Resurrektion
hinterlässt
eine
spürbare
Leere.
Horkheimers
berechtigte
Skepsis
gegen
Benjamins
überschwängliche
Hoffnung
auf
die
wiedergutmachende
Kraft
humanen
Eingedenkens
–
»Die
Erschlagenen
sind
wirklich
erschlagen«
–
dementiert
ja
nicht
den
ohnmächtigen
Impuls,
am
Unabänderlichen
doch
noch
etwas
zu
ändern.
Der
Briefwechsel
zwischen
Benjamin
und
Horkheimer
stammt
aus
dem
Frühjahr
1937.
Beides,
der
wahre
Impuls
und
dessen
Ohnmacht,
hat
sich
nach
dem
Holocaust
in
der
ebenso
notwendigen
wie
heillosen
Praxis
einer
»Aufarbeitung
der
Vergangenheit«
(Adorno)
fortgesetzt.
Verstellt
äußert
sich
derselbe
Impuls
auch
noch
im
anschwellenden
Lamento
über
das
Unangemessene
dieser
Praxis.
Die
ungläubigen
Söhne
und
Töchter
der
Moderne
scheinen
in
solchen
Augenblicken
zu
glauben,
einander
mehr
schuldig
zu
sein
und
selbst
mehr
nötig
zu
haben,
als
ihnen
von
der
religiösen
Tradition
in
Übersetzung
zugänglich
ist
–
so,
als
seien
deren
semantische
Potenziale
noch
nicht
ausgeschöpft.
Diese
Ambivalenz
kann
auch
zu
der
vernünftigen
Einstellung
führen,
von
der
Religion
Abstand
zu
halten,
ohne
sich
deren
Perspektive
aber
ganz
zu
verschließen.
Diese
Einstellung
kann
die
Selbstaufklärung
einer
vom
Kulturkampf
zerrissenen
Bürgergesellschaft
in
die
richtige
Richtung
lenken.
Moralische
Empfindungen,
die
bisher
nur
in
religiöser
Sprache
einen
hinreichend
differenzierten
Ausdruck
besitzen,
können
allgemeine
Resonanz
finden,
sobald
sich
für
ein
fast
schon
Vergessenes,
aber
implizit
Vermisstes
eine
rettende
Formulierung
einstellt.
Sehr
selten
gelingt
das,
aber
manchmal.
Eine
Säkularisierung,
die
nicht
vernichtet,
vollzieht
sich
im
Modus
der
Übersetzung.
Das
ist
es,
was
der
Westen
als
die
weltweit
säkularisierende
Macht
aus
seiner
eigenen
Geschichte
lernen
kann.
In
der
Kontroverse
über
den
Umgang
mit
menschlichen
Embryonen
berufen
sich
heute
immer
noch
viele
Stimmen
auf
Moses
1,27:
Gott
schuf
den
Menschen
ihm
zum
Bilde,
zum
Bilde
Gottes
schuf
er
ihn.
Dass
der
Gott,
der
die
Liebe
ist,
in
Adam
und
Eva
freie
Wesen
schafft,
die
ihm
gleichen,
muss
man
nicht
glauben,
um
zu
verstehen,
was
mit
Ebenbildlichkeit
gemeint
ist.
Liebe
kann
es
ohne
Erkenntnis
in
einem
anderen,
Freiheit
ohne
gegenseitige
Anerkennung
nicht
geben.
Deshalb
muss
das
Gegenüber
in
Menschengestalt
seinerseits
frei
sein,
um
die
Zuwendung
Gottes
erwidern
zu
können.
Trotz
seiner
Ebenbildlichkeit
wird
freilich
auch
dieser
Andere
noch
als
Geschöpf
Gottes
vorgestellt.
Diese
Geschöpflichkeit
des
Ebenbildes
drückt
eine
Intuition
aus,
die
in
unserem
Zusammenhang
auch
dem
religiös
Unmusikalischen
etwas
sagen
kann.
Gott
bleibt
nur
so
lange
ein
»Gott
freier
Menschen«,
wie
wir
die
absolute
Differenz
zwischen
Schöpfer
und
Geschöpf
nicht
einebnen.
Nur
so
lange
bedeutet
nämlich
die
göttliche
Formgebung
keine
Determinierung,
die
der
Selbstbestimmung
des
Menschen
in
den
Arm
fällt.
Dieser
Schöpfer
braucht,
weil
er
Schöpfer-
und
Erlösergott
in
einem
ist,
nicht
wie
ein
Techniker
nach
Naturgesetzen
zu
operieren
oder
wie
ein
Informatiker
nach
Regeln
eines
Codes.
Die
ins
Leben
rufende
Stimme
Gottes
kommuniziert
von
vornherein
innerhalb
eines
moralisch
empfindlichen
Universums.
Deshalb
kann
Gott
den
Menschen
in
dem
Sinne
»bestimmen«,
dass
er
ihn
zur
Freiheit
gleichzeitig
befähigt
und
verpflichtet.
Nun
–
man
muss
nicht
an
die
theologischen
Prämissen
glauben,
um
die
Konsequenz
zu
verstehen,
dass
eine
ganz
andere,
als
kausal
vorgestellte
Abhängigkeit
ins
Spiel
käme,
wenn
die
im
Schöpfungsbegriff
angenommene
Differenz
verschwände
und
ein
Peer
an
die
Stelle
Gottes
träte
–
wenn
also
ein
Mensch
nach
eigenen
Präferenzen
in
die
Zufallskombination
von
elterlichen
Chromosomensätzen
eingreifen
würde,
ohne
dafür
einen
Konsens
mit
dem
betroffenen
Anderen
wenigstens
kontrafaktisch
unterstellen
zu
dürfen.
Diese
Lesart
legt
die
Frage
nahe,
die
mich
an
anderer
Stelle
beschäftigt
hat.
Müsste
nicht
der
erste
Mensch,
der
einen
anderen
Menschen
nach
eigenem
Belieben
in
seinem
natürlichen
Sosein
festlegt,
auch
jene
gleichen
Freiheiten
zerstören,
die
unter
Ebenbürtigen
bestehen,
um
deren
Verschiedenheit
zu
garantieren?
Die
Rede
wurde
am
14.
10.
2001 anlässlich
der
Verleihung
des
Friedenpreises
des
Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche gehalten.