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Der Synodale Weg   –   Kirche und Veränderung
 

Kirchenrecht und Doktrin müssen zur Wirklichkeit passen

Von Christa Tamara Kaul      -     August 2021
 


Leben heißt Veränderung – eine Binsenweisheit, eigentlich. Doch in der katholischen Kirche scheinen eine ganze Reihe von Amtsträgern nicht viel vom Leben zu halten. Jedenfalls wenn das an deren Reformwillen, also Veränderungsbereitschaft gemessen wird. Und es ist auch keineswegs so, wie die Reformgegner behaupten, dass die Themen katholische Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche, die in den vier Foren des Synodalen Weges behandelt werden, nur deutsche, bestenfalls mitteleuropäische Probleme aufgriffen. Die weltweite Solidarität ist offensichtlich größer als vielfach behauptet.

 


Abb.: Kettenriss (Pfarrbriefservice)

 


Der Deutsche Synodale Weg ist ein Wegweiser für die Welt – auch wenn Rom NEIN sagt!“ So deutlich äußerte sich der irische Theologe Colm Holmes. Nachzulesen in der von >Wir sind Kirche< herausgegebenen Dokumentation mit Kommentaren aus Australien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Pakistan, der Slowakei, Spanien und den USA. Mit seiner Aussage umreißt Holmes ziemlich genau auch die Stellungnahmen (fast) aller anderen Befragten des seit 25 Jahren bestehenden internationalen Reformnetzwerkes >We Are Church<. So bekräftigte Mauro Castagnaro, Vizepräsident der italienschen Sektion des Netzwerkes, nochmals eindeutig: „Auch in Italien schauen viele Menschen mit Interesse und Hoffnung auf den synodalen Prozess, der in der deutschen Kirche im Gange ist. Zunächst einmal zeigt er, dass die deutsche Kirche vital ist. Sie will auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen reagieren, das Evangelium heute glaubwürdig zu verkünden. Das beginnt bei der Notwendigkeit, die kirchliche Praxis zu „heilen“, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Mitglieder des Klerus zugelassen hat, die Deckung, die die Hierarchie den Tätern garantiert hat.“

Auch Edson Gonçalves Pelagalo Oliveira Silva aus Brasilien sieht im Reformprozess eine „wichtige Entscheidung …, das ganze Volk Gottes in eine horizontale Beziehung und einen internen Dialog zu stellen, ohne dass der Dialog über Themen, die bisher … verboten waren, eingeschränkt wird.“ Und noch resoluter drückt es die indische Theologin Virginia Saldanha aus: „Der deutsche „Synodale Weg“ (ist) für die weltweite katholische Kirche von großer Bedeutung … Frauen im kirchlichen Apostolat und Dienst in Indien waren sehr aktiv, obwohl nichts von dem, was sie tun, als Dienst im kanonischen Sinne bezeichnet wurde, bis zum jüngsten Motu Proprio von Papst Franziskus. In der Tat, wenn man die Frauen entfernt, werden wir keine Kirche haben.“ All diese Stellungnahmen beweisen vor allem eines: Die Reformbewegung ist kein deutsches Alleinvergnügen.

Da ist es ebenso bemerkenswert wie erfreulich, das Papst Franziskus, also „Rom“, keineswegs NEIN sagte, jedenfalls nicht in toto und a priore, wie von den einen erhofft, von den anderen befürchtet. Ganz im Gegenteil ermutigte Franziskus Bischof Georg Bätzing, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, im Juni 2021 durchaus, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. "Kolportierte Zuschreibungen", wonach sich die Kirche in Deutschland mit dem Reformprojekt Synodaler Weg auf Sonderwege begeben wolle, seien aus der Luft gegriffen, betonte Bätzing nach dem Gespräch mit dem Papst. Es gelte nun, die anstehenden Fragen offen und ehrlich zu diskutieren und zu Empfehlungen für ein verändertes Handeln der Kirche zu kommen.

Allerdings, dass dieses Thema auch in Rom umstritten ist, demonstrierte Kardinal Pietro Parolin, der „zweite Mann“ im Vatikan, kurz danach bei seinem Besuch in Berlin: „Vor allen Visionen und einzelnen Bedürfnissen muss die Gemeinschaft den Vorrang haben", so Parolin. Vor allem deshalb erwähnenswert, da noch kurz zuvor von Kardinal Mario Grech, dem Generalsekretär der Bischofssynode in Rom, ein weltweiter Synodaler Weg ankündigt worden war. Mit diesem solle im Dreischritt diözesan, kontinental und weltkirchlich die auf 2023 verschobene Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema Synodalität mit „Konsultationen und Unterscheidungsprozessen“ vorbereitet werden. Da stellt sich eben die Frage, ob mittlerweile auch der Vatikan die Chancen einer solchen kirchenrechtlich nicht festgelegten Synodalität erkennt, oder aber, ob es eher eine mehr oder minder geschickte Finte ist, um die deutsche Aktion auszubremsen.

Dass der Synodale Weg mühsam zu gehen und durchaus mit (vor allem personellen) Problemen gepflastert sein wird, haben manche unentschlossenen Zweifler und etliche entschlossenen Gegner durchaus klar zum Ausdruck gebracht. Allen voran der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der u.a. meinte, dass in den aktuellen Debatten häufig von einer "Weiterentwicklung der Lehre" die Rede sei. Aber man könne nur weiterentwickeln, "was von Ewigkeit her wahr ist" (welche ewige Wahrheit er offensichtlich kennt) und das dürfe nicht zu einem "völligen Gegensatz zum bisherigen kirchlichen Lehramt" führen. Vor allem der Text des Synodalforums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" wecke in ihm "Befürchtungen".

Blockadehaltungen dieser Art von mehr oder minder hierarchisch hoch stehenden Klerikern lassen etliche namhafte, dem Reformprozess an sich wohlgesinnte Theologen wie etwa Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht an der Universität Bonn, am Erfolg der Bemühungen zweifeln. Er stellt schon jetzt die (bitterböse) Prognose, dass es keine andere, reformierte Kirche geben wird. „Es wird wohl beim erneuten Rundweg bleiben, der im Kreis herum, aber an kein Ziel führt“, schreibt er in seinem neuen Buch „Die Täuschung. Haben Katholiken die Kirche, die sie verdienen?“. Aus 70 Jahren Geschichte des ZdK und fünf Jahrzehnten mit Synoden, Dialogen und Gesprächsprozessen folgert Lüdecke: Nichts als Teilhabe-Attrappen und Partizipations-Placebos, mit denen das kritische Kirchenvolk von einer auf der eigenen Macht beharrenden Hierarchie hingehalten und ruhiggestellt werden soll.

Doch was soll’s: Der Glaube und sein Bruder Zweifel (so der Titel eines Buches des tschechischen Theologen Tomas Halik) brauchen einander. Denn: „Der Zweifel hilft, dass Glaube nicht zur Ideologie verkommt, die fraglose Zustimmung erwartet. Der Glaube hilft, dass der Zweifel nicht in zynische Skepsis abgleitet, die keine Hoffnungsperspektive mehr bereithält.“ In schwierigen Zeiten nicht unwichtig. Und es ist kaum zu übersehen, dass wir in schwierigen Zeiten leben, in denen sich Kultur und Gesellschaft zunehmend schnell verändern. Was nicht zuletzt „die Kirche“ zu spüren bekommt, indem ihr die Mitglieder weglaufen. Zwar hat sicher auch die Corona-Krise als „Brandbeschleuniger“ gewirkt. Aber mit Sicherheit noch mehr das Verhalten, um nicht zu sagen das Versagen des Kölner Erzbischofs und dessen verzweifeltes Klammern an Amt und Würde. Und das, obwohl ihm sowohl weite Teile des Klerus mit entsprechenden Stellungnahmen als auch das „Kirchenvolk“ mit massenhaften Kirchenaustritten das Vertrauen längst öffentlich entzogen haben.

Immerhin, es gibt auch Licht im klerikalen Tunnel: Dafür hat neben Bischof Bätzing allen voran Kardinal Reinhard Marx mit seinem vom Papst zurückgewiesenen Rücktrittsangebot Anfang Juni 2021 gesorgt. Marx sprach nicht nur von einer individuellen Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten, sondern auch von „institutionellem oder systemischen Versagen“. Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen. Und er präzisierte dies kurz darauf im Rahmen eines Gottesdienstes: „Ist nicht manches an der Sozialgestalt der Kirche vorüber? Nicht das Evangelium, nicht der Einsatz für die Kranken, nicht der Einsatz für den Nächsten, nicht die Feier der Eucharistie. Aber manches an Gehabe und an Selbstbewusstsein, das auf die Institution und auf die Macht und auf den Einfluss ausgerichtet ist, den wir hätten oder haben wollen – all das ist vielleicht doch vorüber.“

Kultur ändert sich von unten“ meinte dazu Stefan Kiechle SJ in >Stimmen der Zeit<. „Einerseits fangen Frauen an vielen Orten der Welt einfach an, Gottesdienste zu leiten, auch mit Mahlfeiern, die des Mahles Christi gedenken – ob diese Feiern dann „sakramental“ sind, interessiert weniger. Auch gibt es vielfältige Liebesbeziehungen; wo es möglich ist, heiraten katholische Paare, wo nicht, erbitten sie den Segen – den Unterschied zur sakramentalen Ehe sieht man weniger. Werden die sieben definierten Sakramente, in Differenz zu anderem, noch verstanden? Ist nicht alles kirchliche Handeln sakramental? Kulturen ändern sich, und wenn das Kirchenrecht und die Doktrin nicht mehr auf die Wirklichkeit passen, schert das die Wirklichkeit wenig. … Unbezweifelbar ist, dass „unten“ die christlich-kirchliche Kultur weiterlebt: schon jetzt in neuen Formen, Riten, Ämtern…“

 


Links zum Thema

https://www.wir-sind-kirche.de/files/wsk/2021/Weltweite_Solidaritaet_Synodaler_Weg_2021.pdf 

https://www.katholisch.de/artikel/30331-baetzing-papst-will-fortsetzung-des-synodalen-wegs-in-deutschland 

https://www.herder.de/stz/hefte/archiv/146-2021/7-2021/kultur-und-veraenderung/ 
Stimmen der Zeit 146 (2021) 481-482 

 

 

© Christa Tamara Kaul